Ein Gespräch mit dem Berliner Filmemacher und Produzenten Dietmar Post (AG DOK)

aktuell nachzulesen auf der Seite unseres Partnervereins AG DOK unter AG DOK – Themen. Es lohnt sich immer wieder über den Tellerrand der eigenen Branche zu schauen und mitzuverfolgen, wie sich Problematiken ähneln und die Kreativen ihren Umgang damit finden.

 

Auszug:
…Ellen Wietstock: Lass uns noch einmal auf die Filmausbildung zurückkommen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Filmhochschulen für das Fernsehen ausbilden und weniger für die Kinofilmproduktion.
 
Dietmar Post: Ich sehe in deutschen und internationalen Spielfilmen eine Ästhetik, die eigentlich der Werbung entlehnt ist. Ich sehe Werbefilmer, die Spiel- und zunehmend auch Dokumentarfilme machen, kaum noch Schriftsteller, bildende Künstler oder Self-Made-Leute, einfach immer weniger experimentierfreudige und künstlerische Filmemacher. Heute hat auf Festivals, in den Fernsehsendern und bei den Filmförderern ein „Werbesprech“ Einzug gehalten. Es geht nur darum zu beweisen, dass man der beste Verkäufer/Künstler ist, derjenige, der am besten dieses Projekt bewerkstelligen kann. Es ist ein heftiger Konkurrenzkampf ausgebrochen. Nehmen wir zum Beispiel das Pitchen — ich würde mir wünschen, dass Harun Farocki einen Film darüber gemacht hätte. Wie die Leute sich anbiedern und verkaufen, das ist nicht auszuhalten. Es geht dabei nicht mehr um die grundsätzliche Idee, sondern nur noch darum, dass sich jemand selbst produziert. Die Schuld liegt bei den Festivals und bei den Filmhochschulen, die genau diese Dinge forciert haben.
 
Ellen Wietstock: Das Ganze lief seinerzeit unter Professionalisierungskampagne.
 
Dietmar Post: Mittlerweile geht es doch nur noch um die Quote und wie viele Zuschauer ein Film erreicht. Ich finde es erschreckend, dass der ,Spiegel‘ schreibt, wie ungerecht es sei, dass Fuck You Göhte bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises wieder nicht mit einem Preis bedacht wurde. Es gab Interviews mit Til Schweiger, in denen er sich über Filme lustig macht, die ihr Geld nicht wieder einspielen. Ich als Filmarbeiter muss Til Schweiger nicht doof finden, der gehört für mich mit zum Filmgeschäft; er beschäftigt Beleuchter, Ausstatter usw. Ich finde es aber unanständig, wenn diese gleichen Leute, die gut für das deutsche Filmgeschäft sind, weil sie Jobs schaffen, sich im Verbund mit einigen Journalisten über Leute mokieren, die andere Filme machen. Wenn es im ,Spiegel‘ heißt: In diesem Jahr gehört zu den Nominierten auch Fuck you Göhte, eine Schulkomödie mit großartigen Dialogen, mehr als sieben Millionen Besucher. Fuck you Göhte ist auch der beste Spielfilm des Jahres. Und weiter: Keine Stilübung wie Das finstere Tal, 88.000 Besucher, kein Weltekelwerk wie Finsterworld 70.000 Besucher, kein Bauerntheater wie Die andere Heimat. 119.000 Besucher. Einfach eine Komödie, die den Zeitgeist trifft, ohne sich anzubiedern.“ Einen Film von Edgar Reitz als Bauerntheater abzutun, regt mich einfach auf.
 
Es geht nur noch um Zahlen
 
Da ist etwas geschehen, was es vor 20, 30 Jahren nicht gegeben hat – auch in den Medien. Es geht nur noch um Zahlen, alles andere ist uninteressant. Für mich hat diese Haltung auch damit zu tun, wie die Filmförderer mit den Filmemachern umgehen. Ich muss mir als Dokumentarfilmemacher von der Filmförderung sagen lassen, wenn es Schwierigkeiten mit der Finanzierung gibt, gehen Sie doch zu Herrn X oder Y, der ist berühmt. Was soll das nützen? Die deutsche Filmförderung krankt daran, dass man entweder einen Sender oder eine Verleihfirma haben muss. Sender und Verleihfirmen werden in den nächsten zehn Jahren obsolet sein. Es geht einzig und allein darum, eine gute Idee zu haben, alles weitere kann man allein bewerkstelligen. Wenn man das aber behauptet, wird man bei den hiesigen Filmförderinstitutionen abgelehnt. Ein Beispiel: Unser Konzept sah vor, dass wir in das Produktionsgeld direkt eine Vermarktung mit hinein kalkulieren, so wie es in Hollywood auch gehandhabt wird. Dann braucht man keine Verleihfirma, sondern stellt seinen Film parallel zum Kinostart ins Netz. Mit den 50.000 Euro, die man zusätzlich in das Budget mit einkalkuliert, finanziert man die Auswertung. Die Förderapparate sind meiner Meinung nach zu behäbig. Es gibt kaum Dokumentarfilme, die ihr Geld wieder einspielen, bestenfalls ein geringer Prozentsatz. Noch nicht einmal die großen Dokumentarfilme wie die von Volker Koepp schaffen das. Das kann nur subventioniert funktionieren. Was soll denn falsch sein an Kulturförderung?
 
Mehr Respekt vor den Kreativen
 
Ellen Wietstock: Aber da ist kein Unterschied zum Spielfilm. Alles ist subventioniert. Denn was fließt von den Kassenerfolgen tatsächlich wieder zurück?
 
Dietmar Post: Warum wird bei der Filmförderung zunehmend auf das Verkaufsargument geschaut? Ich glaube, wir müssen zurück zu dem, was einmal die kulturelle Filmförderung der Filmbüros war. Wir brauchen klar voneinander getrennte Fördertöpfe. Das Medienboard Berlin-Brandenburg versucht es ja mit der ArtCore-Förderung. Ich habe zuweilen den Eindruck, dass sich einige Mitarbeiter der Förderinstitutionen über den Filmemacher stellen, sie lassen einen spüren, dass sie am Machthebel sitzen. Das halte ich für gefährlich, denn diese Mitarbeiter werden ja von unseren Steuergeldern bezahlt, sie haben für die Filmarbeiter Dienstleister zu sein. Ich vermisse Respekt den Kreativen gegenüber. Ich möchte, dass die Förderer sehen, was Film-Leute, die nicht die etablierten Wege gehen, seit 20 Jahren relativ unabhängig von der offiziellen Welt auf die Beine stellen – die Amerikaner nennen es body of work – aber das spielt bei denen alles keine Rolle. Die Talentförderung in den meisten westeuropäischen Ländern halte ich für rassistisch, weil sie nur auf Jugendlichkeit setzt, dabei können frische und gute Ideen durchaus von sehr alten Menschen kommen. Es gibt auch an den Filmhochschulen unvertretbare Altersbegrenzungen. Für mich sind das Dinge, die auf strukturelle Schwachstellen hinweisen…

 

…das komplette Gespräch nachzulesen auf der Seite der AG DOK