Andere Länder- ähnliche Situationen in der Animationsfilmbranche. Eine kleine märchenhafte Anekdote aus Großbritannien soll uns in Deutschland Mut für mehr Lobbyarbeit machen.
Es war einmal…
ein schönes, altes Land in dem ein Animator wohnte. Der war ganz traurig weil sein ganzes IP (sein Intelectual Property/ die Rechte an der von ihm erfundenen Figur) von bösen Menschen in anderen Ländern geraubt wurde. Und alle seine alten Freunde wie Wallace und Gromit, Peppa Pig, Noddy oder Bob der Baumeister waren ebenfalls weg und gehörten ihm nicht mehr.
Da ging er zum König und erzählte ihm seine Geschichte. Der König war ein guter, fairer König, der helfen wollte. Er gab dem Animator eine große Kiste voller Gold. Und damit würde er seine IP-Rechte behalten und viele neue, lustige Freunde zeichnen können.
Der König, der Animator und das ganze Volk waren sehr glücklich und guckten Bob der Baumeister für immer und ewig.
Diese Geschichte klingt wie ein echtes Märchen, aber in dem schönen, alten England, ist dieses Märchen vor einiger Zeit wahr geworden.
Olli Hyatt (Quelle http://creativeboom.co.uk/blue-zoo-wins-best-independent-production-company-at-bafta-childrens-awards-2012/)
2009 verlor Olli Hyatt, ein junger Produzent bei Blue Zoo wieder einen großen Auftrag.
Er musste feststellen, dass die Auftraggeber, die unbedingt mit ihm zusammenarbeiten wollten, sich letztendlich doch für eine günstigere Produktionsfirma entscheiden mussten, da ihr Budget zu gering war. So gingen sie zu einer Firma in Irland, Frankreich oder Kanada, die dort große Steuervorteile, und dadurch geringere Produktionskosten haben. In Irland beträgt diese Steuervergünstigung bis zu 28%.
Olli Hyatt sah wie die Animationsindustrie langsam zu zerfallen drohte, wie alle IP´s geopfert werden mussten, um die Ko-produktionen zu sichern und wie dadurch im ganzen Land Jobs und Geld verloren gingen. Er wollte etwas tun.
Im Jahr 2010 gründete Hyatt „Animation UK“, eine Lobbygruppe die viel ändern sollte. Er suchte Mitstreiter die sich ebenfalls um die englische Animationsindustrie sorgten.
Hyatt ging direkt zu Mark Field, einem Abgeordneten für den Stadtteil Westminster und erzählte ihm, dass nur 0,1 Prozent der im Fernsehen gezeigten Trickfilme aus der UK stammen. Field war sofort dabei, denn Soho, Londons traditionelles Zentrum der Animationsindustrie, gehörte zu seinem Wahlkreis.
Innerhalb eines Jahres hatte Hyatt mehrere wichtige Firmen überredet, bei ihm einzusteigen. Firmen wie Hit Entertainment – dem Produzenten von Bob der Baumeister, Thomas, the Tank Engine, und Pingu. Astley Baker Davies – der Erfinder von Peppa Pig, der aktuellen Hit show in GB. Und Aardman- Weltbekannt mit Wallace und Gromit.
Fast zwei Jahre lang leisteten Hyatt und „Animation UK“ Lobbyarbeit in Presse und Fernsehen. Die Sichtbarkeit und Anerkennung der vielen Charaktere wie Wallace, Peppa und Bob hat den Weg etwas leichter gemacht. Aber außer die Präsenz von Animation UK zu stärken, erzielten sie keinen weiteren Erfolg.
Wallace, Bob und Peppa (Quelle http://www.bbc.co.uk/news/entertainment-arts-16964893)
Im Herbst 2011 schrieben die beiden Mitglieder Robert Kenny und Tom Broughton einen Bericht. Mark Field, mittlerweile Schirmherr von „Animation UK“, steuerte das Vorwort bei.
Es ging um die IP oder Intelectual Property -Die Rechte an Figuren wie z.B. Peppa Pig, die allein 2010 über 240 Millionen Euro wert waren. Das war ein Vielfaches des Budgets, dass damals für die Produktion zur Verfügung stand. Denn obwohl die britische Animationsindustrie einen Wert von 360 Millionen Euro für Großbritannien hat, bringen andere Märkte wie Merchandising, Spielzeuge, DVDs und Bücher Milliarden. Aber die IP bleiben nicht immer in den Händen der Erfinder einer Figur, sondern müssen oft an Koproduzenten verkauft werden, eben weil die Produktion in der UK zu teuer ist.
Mit diesem Report treffen Hyatt und seine Kollegen den stellvertretenden Premierminister Nick Clegg, ein großer Fan von vielen bekannten Animationscharakteren, verstand dass die Nationalhelden wie Noddy oder Thomas the Tank Engine vor dem Aussterben im eigenen Land bedroht waren.
Langsam rollte die Lobbygruppe Richtung Westminster und holte Anne Woods an Bord. Ihre Produktionsfirma Ragdoll hat mit den Teletubbies eine der erfolgreichsten Serien der BBC hergestellt, die in 75 Ländern ausgestrahlt wird.
Teletubbies (Quelle http://topcompaniesindia.com/animation-companies-in-india/)
Dann kam im Frühjahr 2012 der Durchbruch:
Ein Treffen mit Schatzminister George Osbourne. Der Bericht und die vielen Unterstützer sollen ihn überzeugen, das eine kleine Reform in der Finanzpolitik, große und positive Resultate für die Animationsbrache hervorbringen würde.
Beim Regierungsschatzmeister Osbourne (Quelle http://www.britishfilmcommission.org.uk/chancellor-launches-new-tax-reliefs/)
Und es klappte. Osbourne kündigte 2012 im Staatshaushalt an, dass Animationen und Fernsehserien Steuervorteile bekommen würden.
Am 1. April 2013 war es soweit: Die Animationsindustrie konnte sich über viele neue Vorteile freuen:
100% Steuerfreiheit von bis zu 80% des gesamten Budget und eine Steuervergütung von 25 % und die fertige Produktion muss mindestens 51 % animierten Inhalt haben.
Ein Riesenerfolg. Innerhalb von drei Jahren hatte ein Mann -natürlich mit Hilfe vieler anderer- die ganze Industrie und sogar die Regierung mobilisiert und gegen das Problem vom IP Verkauf und Verfall der Animationsindustrie in der UK aktiv und erfolgreich angekämpft.
Ob wir etwas ähnliches hier in Deutschland auch schaffen könnten, dass ist die große Frage. Die Briten haben tolle und exzentrische Figuren entworfen, lustige und schräge Geschichten erzählt und haben eine lange Tradition in der Animationsfilmbranche. Hier in Deutschland ist der Kampf um IPs deutlich schwieriger. Aber es ist uns bewusst: auch hier in Deutschland geht es dabei um wirtschaftliche Aspekte und Arbeitsplätze für viele kreative Menschen., wenn man das Geld im Land halten könnte.
Und, wäre die deutsche Regierung nicht interessiert daran?
Wenn die Briten es schaffen ihre Animationsindustrie zu retten, dann können es die Deutschen doch auch, oder?
Jonathan Webber 2014