AG Animationsfilm e.V.
Auf dem Branchentreff der AG Animationsfilm während dem Trickfilmfestival in Stuttgart wurden schon einige Zahlen der Umfrageergebnisse vorgestellt. Nun folgt eine erste Auswertung der Umfrage:
Mehr Sendeplätze für deutsche Animation gefordert!
Der Bundesverband der Animationsfilmbranche, die AG Animationsfilm mit Sitz in Leipzig hat mit einer Umfrage zur Situation der Animation in Deutschland erstmals belastbare Zahlen zum Zustand der Branche vorgelegt.
Obwohl die Animation in Deutschland eher ein Nischendasein fristet, beteiligten sich mehr als 315 Personen an der im Frühjahr 2015 durchgeführten Befragung.
Dabei berücksichtigt die Umfrage sowohl die Belange der Produzenten als auch die der Animatoren (freiberuflich tätige wie angestellte Animationskünstler) und ermöglicht somit einen umfassenden Einblick in die Situation der Beschäftigten in der Branche.
Geringe Verdienstaussichten – Prekäre Verhältnisse
Etwa 70 Prozent der befragten Animatoren sind hauptberuflich selbständig tätig und
mehr als drei Viertel davon verfügt über einen Stundenlohn zwischen 30 und 50 Euro. Viel zu wenig, denn eine Lebensgrundlage bietet ihre Arbeit in den meisten Fällen nicht, da zwischen einzelnen Projekten oft große Pausen liegen. 22 Prozent der Befragten arbeiten sogar für weniger als 20 Euro pro Stunde, obwohl die Empfehlung für selbständige Mediengestalter bei einem Einstiegsstundensatz von 45 Euro liegt.
Dennoch, etwa 69 Prozent der Freiberufler und Angestellten leben ohne staatliche Unterstützung, zum Beispiel weil sie einen Partner haben der sie finanziell stützt. Wenn Förderung in Anspruch genommen wird, ist diese in 33 Prozent der Fälle eine Filmförderung.
Altersarmut ist vorprogrammiert
Mehr als jeder Vierte der Befragten kann in seiner jetzigen Erwerbslage nicht für sein Alter vorsorgen. Fast die Hälfte kalkuliert mit einer Netto-Rente von weniger als 1000 Euro. Dass sie damit unter der momentanen Pfändungsgrenze von 1074 Euro liegen und später auf zusätzliche staatliche Hilfe angewiesen sind, liegt auf der Hand.
Animation ist kein Job für Eltern
Angesichts dieser Situation verwundert es nicht, dass mehr als zwei Drittel aller Befragten (68 Prozent) schon einmal über einen Ausstieg aus der Branche nachgedacht haben. Besonders oft wird als Grund die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie genannt, vor allem Frauen ab einem bestimmten Alter wollen nicht weiter im Animationsbereich arbeiten.
Ein weiterer Grund ist neben dem zu geringen Verdienst und den schwierigen Arbeitsbedingungen, dass ein kontinuierliches Arbeiten oder eine langfristige Planung auf grund der stark schwankenden Auftragslage kaum möglich ist.
Mehr Animation aus Deutschland für alle
Mitverantwortlich für diese Lage machen 84 Prozent aller Befragten das generelle Fehlen von Sendeplätzen für deutsche Animationsfilme. Deshalb fordern fast drei Viertel (73 Prozent), dass die deutschen Animationsproduktionen generell einen Anteil von mindestens 25 Prozent an der Sendezeit für Animation in deutschen Sendern ausmachen sollte. Bislang sind nur zehn Prozent des gesamten ausgestrahlten Animationsprogramms aus Deutschland. Frankreich dagegen hat schon vor Jahren eine Quotenregelung eingeführt, dort müssen sogar 40 Prozent der ausgestrahlten Animationsprogramme lokal produziert werden. Diese Regelung wird von deutlich mehr als einem Drittel (39 Prozent) der Befragten befürwortet.
Dies ist auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass nur jeder vierte Animationsfilm-Produzent mit der Auftragslage zufrieden ist. Rund drei Viertel (78 Prozent) sehen für die Zukunft keine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage bzw. ihrer Auftragssituation und damit auch keinen Spielraum für eine Verbesserung der Vergütung für die Animationskünstler.
Selbstausbeutung offenbar erwünscht
Nur etwa jeder dritte befragte Produzent ist in der Lage Projekte mit Kostendeckung bzw. Gewinn zu realisieren. Rund 62 Prozent der in Deutschland realisierten Animationsfilmprojekte sind unterfinanziert, sprich defizitär. Dies hat seinen Grund auch darin, dass bei rund 68 Prozent der Animationsprojekte die Projektentwicklung komplett bei den Produzenten selbst liegt und diese auch im Falle einer Realisierung nicht im nötigen Umfang bei der Rechnungslegung berücksichtigt werden können. Die Produzenten bleiben also regelmäßig auf einem nicht unerheblichen Teil ihrer Kosten sitzen. Sechs von zehn Befragten (60 Prozent) geben zudem an, dass ihre Projekte nur deshalb überhaupt realisiert werden konnten, weil sie selbst und ihre Animatoren über Honorarrückstellungen in Vorleistung gegangen sind. Sieben von zehn Betroffenen geben an, dass sie nie bzw. nur selten das rückgestellte Honorar überhaupt nachgezahlt bekommen. Das Prinzip der Selbstausbeutung ist demnach in der Animation weit verbreitet.
Die AG Animationsfilm zieht aus den Ergebnissen der Umfrage folgende Schlussfolgerungen:
- Das Auftragsvolumen für deutsche Animation muss signifikant erhöht werden.
- Die TV-Sender müssen mehr deutsche Animation ausstrahlen bzw. in Auftrag geben.
- In einem ersten Schritt sollte für alle Sender eine Quote von mindestens 25 Prozent bei Erstausstrahlungen umgesetzt werden.
- Die Produktionen müssen fair und angemessen finanziert werden. Die Kalkulation der Projekte muss der Realität entsprechen können (Kalkulations-realismus).
- Die Entwicklungskosten sind von allen Beteiligten, also auch von den Auftraggebern mit zufinanzieren.
- Angebote, die zur Vernetzung der Branche beitragen, müssen intensiver gefördert werden.