Das Interview mit Michael Herm, Talking Animals in Berlin, führte Gregor Zootzky für die AG Animationsfilm via Email, im August 2013.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Trickstudio zu mehreren Absolventen der HFFPotsdam zu gründen?
Die ursprüngliche Idee ergab sich aus der Tatsache heraus, dass die meisten Absolventen des Animations-Studiengangs i.d.R. als Freelancer, meist auf eigene Faust und von Zuhause aus, tätig waren. Das wollten wir nicht. Einerseits ging es uns darum, für uns eine gute wirtschaftliche Basis zu errichten, indem wir individuelle Auftraggeber an einem Punkt konzentrieren. Andererseits wollten wir neben kommerzieller Arbeit weiterhin eigene Projekte und Kurzfilme realisieren.
Für uns war daraufhin klar, dass die beste Methode diese Ziele zu erreichen, eine Studiogemeinschaft ist, wo jeder seinen Arbeitsplatz hat und wo wir uns jederzeit kreativ austauschen und gemeinsam arbeiten können.
Wie kam es zu dem Namen „Talking Animals“?
Nachdem sich jeder eine Liste mit unterschiedlichen Namen ausgedacht hat, haben wir uns an einem schönen Frühsommerabend bei Pizza und Bier zusammengefunden und alle Vorschläge besprochen. Je später der Abend wurde, desto interessanter wurden die Namenskonstruktionen, wie z.B.“Osama Mc Bacon“. Letztendendes konnten wir uns einstimmig auf Talking Animals einigen. Die Anspielung des Namens auf den Ursprung animierter Charaktere dürfte wohl allen Animatoren geläufig sein.
Wie organisiert ihr euch mit so vielen verschiedenen eigenen Persönlichkeiten?
Nach anfänglichen Problemen mit der Kommunikation, vor allem was Entscheidungen über wichtige Anschaffungen, Projektanfragen und Terminfragen anging, haben wir uns dazu entschieden, regelmäßige demokratische Plenen abzuhalten. Mittlerweile halten wir diese Plenen einmal pro Woche ab. Die Themen, die zur Abstimmung bzw. Lösungsfindung besprochen werden sollen, tragen wir zuvor per Mail zusammen.
Einige von euch treten in der Öffentlichkeit stärker hervor. Wie gehen die anderen damit um? Gibt es Konkurrenzverhalten untereinander?
Nein, es gibt kein Konkurrenzverhalten bei uns. Natürlich kommt es immer wieder vor, dass aufgrund eines erfolgreichen Kurzfilmes oder einer Auftragsarbeit eines unserer Mitglieder größere Aufmerksamkeit auf sich zieht, z.B. in Form von Interviews, Fernsehbeiträgen, Preisen, etc. Letztenendes sind wir aber immer bemüht, diese Aufmerksamkeit auf das Studio als Ganzes zu lenken. Mittlerweile sind wir soweit zusammengewachsen, dass dieses Gemeinschaftsgefühl überwiegt. Und man darf natürlich nicht vergessen, dass die meisten unserer Projekte nur durch die gemeinsame Arbeit realisierbar waren, d.h. es profitieren eigentlich alle von dieser Publicity.
Wenn ihr gemeinsam an Projekten arbeitet, ist es nicht auch so, das jeder sein kreatives Potential umgesetzt sehen will, also sein eigene gestalterische Note mit einbringt?
Ja, das ist durchaus der Fall. Wir sind aber mittlerweile sehr routiniert in dieser Art der Zusammenarbeit, so dass wir schon sehr ähnliche Denkmuster entwickelt haben in Hinsicht auf Sinn, Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit kreativer Einfälle. Das macht es uns sehr einfach, Kompromisse zu schließen. Natürlich überraschen wir uns auch immer mal wieder gegenseitig mit kreativen Einfällen, jedoch fast immer positiv.
Wie akquiriert ihr Aufträge? Habt ihr Kompetenzen verteilt, z.B. wenn jemands Stärke das Beschaffen von Aufträgen ist, Gelder aufzutreiben oder Anträge zu stellen? Macht das dann hauptsächlich eine Person?
Wie schon Anfangs beschrieben, war einer der Gründe für Talking Animals, bereits vorhandene Auftragskontakte der einzelnen Mitglieder an einem Ort zu bündeln. Dieser Plan ging sehr gut auf. Auch wenn sich das etwas phantastisch anhören mag: In den über 4 Jahren unserer Existenz haben wir nur an einem einzigen Pitch teilgenommen, und unsere Dienste noch nicht direkt diversen Agenturen angeboten.
Unsere Aufträge kommen zustande durch Direktanfragen, entweder an das Studio als Ganzes oder an einzelne Animals, oder über befreundete Kollegen. Am meisten helfen uns dabei unsere Kurzfilme. Sehr viele Kunden beziehen sich auf einen gewissen Stil aus einem unserer Filme und wollen diesen gerne ähnlich in ihrem Projekt umgesetzt sehen. Um die Anträge für Filmförderung für unsere Kurzfilme kümmert sich immer der jeweilige Regisseur.
Eure Arbeiten sind in diversen Animationstechniken realisiert. Es hat zahlreiche Vorzüge verschiedene Talente zu bündeln. Bei euch fliessen viele kreative Talente zusammen.
Damit habt ihr euch eine kraftvolle Basis geschaffen, aus der ihr heraus agieren könnt. Wie handhabt ihr den wirtschaftlichen Umgang damit? Habt ihr feste Honorarvereinbarungen?
Wir haben eine interne Aufschlüsselung der Kosten für diverse Stile von highend VFX bis 2D-Legetrick, die wir an die Kunden weiterreichen können. Da wir sehr flexibel sind, können wir z.B. bei kleineren Budgets einfach eine reduzierte Animationsart anbieten. Allerdings ist das Honorar natürlich bei jedem einzelnen Projekt Verhandlungssache, und im Zweifel bestimmen die Fragen, ob uns das Projekt einen Mehrwert bringt, ob es für unser Showreel gut ist, oder einem guten Zweck dient (NGOs, etc.), darüber, ob wir es umsetzen oder nicht.
In welchen Techniken arbeitet ihr (2D, 3D, Stopmotion, etc.)?
Wir arbeiten tatsächlich in fast allen Techniken (Ich glaube nur Sand hatten wir noch nicht). Und das nicht nur im visuellen Bereich. In unserem Tonstudio experimentieren wir immer wieder mit ganz unterschiedlichen Methoden der Klangerzeugung – da wird Sand allerdings dann schon mal verwendet.
Welche Eigenschaften sind wichtig, um bei euch mitzumachen?
Geduld 🙂
Vorläufig nehmen wir keine weiteren Mitglieder mehr auf. Mit 15 Mitgliedern ist die Organisation schon schwierig genug. Allerdings besteht immer mal wieder die Möglichkeit, ein Praktikum bei uns zu absolvieren (allerdings nur bei Projekten, die eine Bezahlung der Praktikanten ermöglichen), oder als Freelancer bei größeren Projekten mitzuwirken. Die wichtigsten Eigenschaften die wir bei Praktikanten und Freelancern erwarten, sind natürlich eine gewisse Proffessionalität, Freude an der Arbeit und Lust auf ein leicht durchgeknalltes Team zu haben.
Kommen immer wieder Leute zu euch, die gerne mitmachen wollen?
Ja, sehr oft bekommen wir Anfragen nach einer Mitgliedschaft. leider müssen wir die Leute immer wieder enttäuschen. Einerseits aus organisatorischen Gründen, andererseits bieten unsere Räumlichkeiten keine weiteren Möglichkeiten für individuelle Arbeitsplätze.
Wie seht ihr die schrumpfende Animationsfilmbranche in Deutschland?
Im klassischen Animationsbereich ist es sehr schade. Es müssten deutlich mehr Produktionen gefördert werden, vor allem auch Serien, wie z.B. in Frankreich. In anderen Bereichen, wie z.B. der VFX ist es wohl unumgänglich. Die Modelle mancher Firmen, die Preise auf dem Rücken unbezahlter Freelancer zu drücken, können und dürfen langfristig nicht funktionieren.
Seid ihr mit unserer ehrenamtlichen Arbeit zufrieden?
Ja, wir verfolgen die Diskussionen und die Entwicklung mit Interesse und sind von vielen Vorschlägen sehr angetan. Es war auf jeden Fall eine notwendige und wichtige Entscheidung einen Interessensverband ins Leben zu rufen.
Was für Vorschläge habt ihr für uns um unsere Arbeit weiter zu machen?
Ein jährliches Branchentreffen/Messe/Festival evtl. in jeweils anderen Städten wäre eine feine Sache um eine noch stärkere Vernetzung und Öffentlichkeit zu erreichen.
Vielen Dank für das Interview!
Die Homepage von Taking Animals: http://www.talking-animals.com
Showreel 2011: http://vimeo.com/29427683