Das Studio FILM BILDER wurde 1989 in Stuttgart gegründet und hat sich seitdem zu einem erfolgreichen Trickfilmstudio entwickelt, das internationale Aufmerksamkeit bekommt. In diesem Jahr feiert Studio FILM BILDER sein 25jähriges Jubiläum. Die Anfangsidee zur Gründung war, laut des Internetauftritts des Studios „Die Versöhnung von Kunst und Kommerz“. Einer, der die Gründungsgeschichte des Studios erzählen kann, ist Thomas Meyer-Hermann.
AG: Über welchen Lebensabschnitt in deiner Biographie reden wir, wenn wir uns deiner Motivation zuwenden ein Trickfilmstudio zu gründen?
Es war die Zeit nach dem Studium. Ich hatte allerdings zunächst einen Lehrauftrag für Animation an der Kunstakademie Stuttgart, der gleichen Schule, an der ich auch studiert hatte. Direkt nach dem Lehrauftrag stand die Studiogründung an.
AG: Wie kam es zur Gründung?
Die Trickfilmlandschaft in Deutschland war Ende der 80er sehr übersichtlich und nicht besonders interessant. Es gab keine vorhandene Struktur, der ich mich anschließen wollte. Also sprach ich die Talentiertesten unter meinen Studenten an. Es begann mit der Frage: Gebt Ihr mir Eure Arbeiten für mein Demo unter der Voraussetzung, dass Ihr an den eingehenden Jobs entsprechend beteiligt werdet? – Alle haben ja gesagt.
AG: Entspricht die Entwicklung des Studios der Vision, die du am Anfang hattest?
Die Entwicklung kommt der Vision glücklicherweise sehr nahe. Es war geplant, künstlerische Filme zu realisieren und mit Auftragsarbeiten zu finanzieren. Idealerweise sollten im nächsten Entwicklungsschritt auch Projekte entstehen, die die Ideen der freien Filme und die Professionalität der angewandten Arbeit verbinden sollten (Vehikel auf zwei Gleisen). Solche Projekte waren in den 90ern unsere zahlreichen Musikvideos, und in diesem Jahrtausend sind es die TV-Serien.
AG: Waren an der Gründung mehrere Köpfe beteiligt oder ist das Studio ein Projekt, das Thomas Meyer-Hermann alleine zum Leben erweckte?
Formaljuristisch war ich der Gründer. Die anderen Regisseure und Animatoren waren freie Mitarbeiter. Es war mir aber von Anfang an klar, dass wir nur im Team weiter kommen. Es gab also auch unabhängig von konkreten Projekten Treffen, bei denen wir die Entwicklung des Studios diskutiert haben.
AG: In den Anfangsjahren hast du deine eigenen Kurzfilme wie „Flugbild“, „Mr. Chocolate meets Miss Milk“ und „Die Schöpfung“ gemacht. Danach hast du die Kurzfilme anderer Filmemacher produziert. Warum hast damit aufgehört deine Filme zu machen?
Ein ambitioniertes eigenes Werk erfordert die volle Konzentration. Ich habe nach ein paar Jahren gemerkt, dass sich das nicht mit der täglichen Arbeit des Produzenten verträgt. Auf der anderen Seite sehe ich meine Produzententätigkeit eindeutig als kreative Arbeit. Für die Platzierung von Animation im Medienmarkt sind gute Ideen und das kreative Spiel mit der gesamten Klaviatur der Produktionsmöglichkeiten nötig. Außerdem bin ich in der Regel stark an der Konzeptphase der Projekte beteiligt und oft auch in wechselnden Positionen an der Realisation.
AG: Achtest du auf bestimmte Inhalte beim Drehbuch, auf ein spezielles Layout und/oder ist dir der persönliche Kontakt zum Filmschaffenden wichtig damit du den Film produzierst?
Ich nehme mir tatsächlich den Luxus heraus, nur Projekte zu produzieren, die mir gefallen. Der persönliche Kontakt ist natürlich auch wichtig. Man muss ja sicher sein, dass die Zusammenarbeit funktioniert.
AG: Der Trickfilmkurzfilm ist ein spezielles Medium, das wirtschaftlich nicht besonders lukrativ auszuwerten ist. Wie versöhnen sich an dieser Stelle Kunst und Kommerz?
Innerhalb des Mediums animierter Kurzfilm kann man noch nicht von einer Versöhnung sprechen. Die Produktionskosten von Kurzfilmen werden selten refinanziert. Man sollte aber bedenken, dass auch Langfilme meist ein Zuschussgeschäft sind. Ob kurz oder lang – Filme sind hierzulande auf Förderung angewiesen. Bei den Kurzfilmen sehe ich aber durchaus einen Silberstreif am Horizont. Die neuen Vertriebskanäle bieten deutlich mehr Auswertungsmöglichkeiten gerade für die kurze Form.
AG: Kurzfilme sind ein Kulturgut, das man gerne nur als Übungsmodell für den Filmemacher betrachtet, um in Zukunft einen abendfüllenden Langfilm zu machen. Diese Haltung wird der Möglichkeit des eigentlichen Mediums nicht gerecht. Was ist das besondere am Kurzfilm für dich? Dürfen animierte Kurzfilme meinungsbildend und politisch sein, gar auf gesellschaftliche Missstände hinweisen?
Kunst darf alles. Und der animierte Kurzfilm ist ein besonders mächtiges Ausdrucksmittel, alles andere als eine Vorübung für Langfilme. Animation kommt in der kurzen Form am besten zur Geltung, weil die Bilderfindung, die Verkürzung, die Fähigkeit, eine Idee auf den Punkt zu bringen, ihre besonderen Stärken sind. Der Kurzfilm ist für uns die Königsdisziplin.
AG: Sollen Filmemacher* und Künstler* sich überhaupt politisch äußern?
Natürlich sollen Filmemacher* und Künstler* sich politisch äußern können – warum denn nicht? Sie dürfen auch unpolitisch sein (wobei es schwer ist, etwas wirklich unpolitisches zu machen).
AG: Fördern die Landesmedienstiftungen ausreichend Autoren-Kurzfilme und somit auch die Szene der freien Filmemacher*?
Die Filmförderungen der Bundesländer setzen da unterschiedliche Schwerpunkte. In der Regel hat es der Kurzfilm schwer. Das liegt sicher an der traditionellen Fokussierung auf das Kino. Weil Kurzfilm im Kino kaum eingesetzt wird, hält man ihn für weniger förderungswürdig. Die Förderungen müssen meiner Meinung nach umdenken. Die heutige Kultur manifestiert sich doch in bewegten Bildern auf allen möglichen Plattformen – und da wird der Kurzfilm immer relevanter.
AG: Wie ist das Beschäftigungsverhältnis der Geschlechter in deinem Studio? Im Animationsfilm bestimmen viele Männer was zu tun ist. Ist das Verhältnis von Männern, Frauen, Trans* und Inter*-Geschlechtern ausgewogener oder gegebenenfalls überhaupt präsent?
Da kann ich zufällig Zahlen bieten: Im Studio FILM BILDER waren in den letzten 25 Jahren 95 Personen in gestalterisch wichtigen Positionen tätig. Davon waren 67 Männer, 27 Frauen und ein Transsexueller (so weit mir bekannt ist). Es gibt Fortschritte beim Mann/Frau-Verhältnis. An unserem aktuellen Projekt, den Tiergeschichten, arbeiten vier Regisseurinnen und drei Regisseure.
AG: Ist es dasselbe Team, welches im Studio FILM BILDER den kulturellen Film vorbereitet und herstellt, ebenso auch die kommerzielle Arbeit für Kino und TV-Kanäle z.B.?
Die Teams sind von Projekt zu Projekt unterschiedlich zusammengesetzt, aber es gibt viele personelle Überschneidungen zwischen dem freien und dem angewandten Teil der Produktion.
AG: Was dürfen wir in Zukunft noch vom Studio FILM BILDER erwarten? Habt ihr etwas in Produktion oder in Vorbereitung?
Wir machen gerade dreizehn Tiergeschichten für das Kinderfernsehen des SWR, sowie einen Kurzfilm mit Daniel Nocke und einen mit den portugiesischen Regisseurinnen Monica Santos und Alice Guimarães, in Co-Produktion mit Ciclope Films aus Porto. Weitere internationale Co-Produktionen von Kurzfilmen sind geplant, darunter zwei mit dem National Filmboard of Canada. Angela Steffen arbeitet außerdem an einer TV-Serie für kleine Kinder (Patchwork Pals) und Andreas Hykade an einer Youtube-Serie (Myself). Alle diese Aktivitäten lassen sich gut verfolgen auf unserem Kanal youtube.com/filmbilder, der mit 58 Millionen Klicks und 42.000 Abonnenten beweist, dass der kurze Animationsfilm prächtig gedeiht.
AG: Du bist Mitglied in der AG-Animationsfilm. Was hat dich zu uns gebracht und was erhoffst, bzw. erwartest du von uns?
Die Animation braucht eine Lobby. Ich wünsche mir, dass zum Beispiel der Animator oder die Animationsregisseurin eines Tages anerkannte und sozial abgesicherte Berufe sind. Kurzfristig wünsche ich mir mehr Interesse beim deutschen Fernsehen und bei den deutschen Förderanstalten. Um das zu erreichen, muss die Lobby bei der Politik intervenieren. Der Blick nach Frankreich zeigt, dass eine vitale Animationskultur und eine finanzkräftige Animationswirtschaft keine Utopien sind, sondern durch gezielte politische Maßnahmen erreicht werden können.
AG: Was sollen wir besser machen?
Wir müssen alle gemeinsam viel mehr tun, um diese Ziele zu erreichen. Da fasse ich mir an die eigene Nase.
AG: Zum Abschluss gratulieren wir nicht nur zum Jubiläum auf der internationalen FILM-BILDER-Bühne sondern auch zu deiner Vermählung mit der Animatorin und Regisseurin Maya Yonesho. Danke für das Interview.
Ganz herzlichen Dank!
Das Interview führte Gregor Zootzky mit Thomas Meyer-Hermann vom Studio FILM BILDER.