Anfang des Jahres ist Michael Schmetz verstorben. Die deutsche Animationsfilmbranche verliert damit einen wichtigen und engagierten Menschen. Er war eine Schlüsselfigur für viele Initativen und Projekte die heute die Animationsfilmbranche unterstützen.
Aus seinen Ideen und Anregungen entwickelte sich zum Beispiel der Animation Production Day in Stuttgart, den er sechs Jahre organisierte. Auch das europäische Programm Cartoon Movie enstand durch seine Initative und sein Interesse an europäischer Animationsfilmpolitik. 2006 war er Gründungsmitglied des Verein Deutscher Animationsproduzenten VdAP, der dann 2009 in die neu gegründete Sektion Animation der Produzentenallianz überging und der er einige Jahre vorstand.
Vor allem aber hat er viele Regisseure und Produzenten mit seinem Wissen, seinem Netzwerk und seinem Engagement bei  ihren Projekten unterstützt. Heinrich Sabl aus Berlin ist einer von Ihnen und hat hier seine persönlichen Gedanken an Michael Schmetz aufgeschrieben.

mitte ende neunzig
Es lag in der Luft; der Staub vom Fall des eisernen Vorhangs war noch ruchbar, das neue Jahrhundert bereits in Sichtweite.
Würde beim Übertreten dieser Linie die jüngste Vergangenheit endgültig in den Geschichtsbüchern gebrannt und nur noch eine Notiz aus einer weit vergangenen Zeit sein? Eine zugegeben gern gelebte Spasskultur machte sich breit. Es war Zeit für einen Film.
Ich begab mich mit dieser Fragestellung und Vision; immerhin sollte das Werk mit animierten Figuren und für Erwachsene ein abendfüllendes werden – auf die Suche nach Geld. Der Erfolg blieb aus und ich spielte mit dem Gedanken aufzugeben, doch soweit sollte es nicht kommen. Das damals noch Festnetz – Telefon klingelte und erwischte mich mitten in Renovierungsarbeiten;
Hallo, hier spricht Schmetz, M I C H A E L S C H M E T Z .
Und dann brach es los; ein Gewitter, ein Beben in der Stimme, ja das Filmvorhaben sei gut, er glaube daran.
Am Ende stand ich mit einem farbverschmierten Telefonhörer und wusste nicht wie mir geschehen.

 

null zwei
Grosse Aufregung; Michael Schmetz hat sich angekündigt. An einem Karfreitag. Über Gott haben wir nie gesprochen – dafür ist, vielleicht war es der Bedeutung des Tages geschuldet, das Beben einer fürsorglichen Freundlichkeit gewichen.
Ja ja ihr wollt immer nur drehen, aber das Leben … und so fand sich die Crew meines Filmvorhabens bei reichlich alkoholgeschwängerten Essen in seiner Küche versammelt – wir schmiedeten Pläne und wähnten unseren Film bereits fertig – rotierend im Karussell einheimischer und internationaler Festivals …

 

null drei
Es sollte anders kommen; das Geld ging zur Neige, aber wieder war es Michael, der in seinem Glauben an das Filmvorhaben, welches mittlerweile den Namen Memory Hotel angenommen hat – unerschütterlich war. Er forderte, er kämpfte auf seine manchmal halsbrecherische und pathetische Art für und mit uns und wir hatten Erfolg. Die Arbeit konnte weiter gehen …

 

null fünf
Michael entwickelte eine Affinität für den Animationsfilm. Eine wirkliche Qualität war sein Engagement für die Grossen und Kleinen der Branche. Er machte da keine Unterschiede, setzte sie alle an einen Tisch und schmiedete Allianzen: Berührungsängste Null, Angst vor Peinlichkeiten waren ihm fremd. Das musste man aushalten.

 

Rückblende mitte ende neunzig
Michael, der Mann der Zahlen.
O-Ton Michael Schmetz Sie haben einen guten Antrag geliefert. Ich verstand damals nicht, dachte bis dato, das einzig die Idee, das Drehbuch für das Gedeihen eines Filmes wichtig sind. Michaels Selbstverständnis von Filmarbeit war immer allumfassend. Er verstand und vermittelte mir die Geschichte hinter den Zahlen. Mit faszinierender Rationalität, gemischt mit Empathie für alle Gewerke und deren Situation. Er lehrte mich, das immer wieder in Seenot geratene Schiff „Filmherstellung“ durch unsichere Gewässer zu führen.

 

null acht
Legendär waren Michaels Reden. Wieder gab es ein Fest anlässlich der Einweihung neuer Arbeitsräume. Der Film indes war noch immer nicht fertig. Michael ergriff das Wort, hielt Rückschau und schaute visionär in die Zukunft. Faszinierend ungebrochen; wie bei unserer ersten Begegnung. Eine stürmische Zeit mit Turbulenzen, beinahe Brüchen und lautstarken Auseinandersetzungen lag hinter uns. Nachtragend war er nie, er fegte Missverständnisse und alte Rivalitäten vom Tisch und erhob das Glas, ein Hoch auf das Leben!

 

über elf …
Wir fochten unsere eigenen Kämpfe. Dennoch hielten wir Kontakt. Er hielt an Memory Hotel fest, er konnte ungestüm sein. Die Geduld und Nachsicht, die ich einforderte, war Zumutung und Herausforderung für ihn.
Es schien zu Ende, das Filmvorhaben drohte mangels Finanzierung zu scheitern. Sonntag morgen. Plötzlich war er da; Michael rief an, man müsse sich sofort treffen. Es war meine letzte persönliche und intensive Begegnung mit ihm. Es ging ihm nicht gut, dennoch hatte er Ideen parat, alles würde gut werden.
Es gehört zu meiner Grundangst, Menschen die mich über viele Jahre begleitet haben zu verlieren. Vor der Zeit. Vor dem Ende dieses Filmes, der uns zusammenbrachte.
Michael schenkte mir und meiner Familie zum Abschied ein leeres Buch, in das wir unsere Wünsche nach der Filmarbeit schreiben sollten – ja Michael war immer auch um unser privates Wohl besorgt! Unser Zukunftsprojekt.
Jetzt sind wir allein. Ohne Michael. Das ist unendlich traurig.

 

von Heinrich Sabl